Wir haben 2025 – natürlich ist das Wetter, wie an jedem meiner bisherigen Wettkampftage heuer, nass und kühl, und Regen über den ganzen Tag verteilt angesagt. Immerhin muss man im Karwendel nicht schwimmen und Rad fahren, dafür hat man einen ganzen Tag in den Laufschuhen vor sich – zumindest in meiner Geschwindigkeitsklasse. Der Plan war, in 9 bis 10 Stunden die Gesamtstrecke von 52 km mit 2300 Höhenmetern zu absolvieren. Das erste Lächeln habe ich um 5:15 Uhr beim Aussteigen in Scharnitz auf den Lippen – hurra, es regnet nicht! Dank der guten Organisation und der freundlichen Helfer ist schnell die Startnummer und der Faltbecher abgeholt, der Trockenkleidungs-Rucksack mit Aufkleber versehen und abgegeben und der unvermeidliche Toilettengang absolviert. Auch die Startaufstellung ist gut zu finden – nur die Kolleginnen vom WSV sind unter den 2500 Startern im Halbdunkel nicht zu erkennen, wir hatten allerdings auch keinen festen Treffpunkt ausgemacht. Nach dem Startschuss geht es leider nur im Schritttempo vorwärts. Egal, ab und zu kann ich Chancen zum Überholen nutzen, aber bergauf wird das Laufen sowieso zum Gehen. Mal flacher, mal steiler zieht sich der Weg entlang dem Karwendelbach in das Tal hinein, es wird heller, zeitweise eine wunderschöne Stimmung mit Wiesen, Bach und Felswänden, und nach einer halben Stunde fängt es an zu regnen. Also Rucksack aus, warme Jacke ausziehen, Rucksack wieder an, Regenjacke drüber, alle Reißverschlüsse weit öffnen gegen das Schwitzen und weiter. Dieses Aus – An – Aus wird sich den ganzen Tag im Halbstundentakt wiederholen, gut, dass ich die nasse Jacke mit einem Gummizug außen an meinem Laufrucksack befestigen kann, so dass ich ihn nicht ständig abnehmen muss. Bei der ersten Verpflegungsstelle sind schon fast 10 km geschafft, die Schorle tut gut. Dann kommt schon bald das Karwendelhaus in Sicht, noch die letzten steilen Kehren und wir sind oben. Eine Drohne hält die Erleichterung in den Gesichtern fest, als es jetzt mit deutlich niedrigerem Puls bergab geht; dafür muss man sehr gut aufpassen, wo man die Füße hinsetzt, um nicht auszurutschen oder zu stolpern. Aber es rollt! Vom Kleinen Ahornboden wieder ein Anstieg zur Falkenhütte und dann verblüffend rasch in die Eng hinunter mit großem Bahnhof für diejenigen, die hier den Lauf beenden. Es fällt schwer, sich von der köstlichen Verpflegung loszureißen, aber ich will ja noch bis Pertisau weiterlaufen. Kurze SMS an meinen Mann, dann weiter und wieder ansteigend, immer steiler werdend, die letzten 600 Höhenmeter zum Binssattel hinauf. Obwohl ich die Verpflegung in der Eng sehr genossen habe, verbrauche ich mein vorletztes Gel auf diesem Anstieg, um nicht schlapp zu machen. Dann ein Juchzer auf dem Sattel, ein Dankeschön an die dort positionierten Bergwacht-Sanitäter, und es geht „nur noch“ runter und 12 km vorwärts. An den steileren Stellen werden alle jetzt recht vorsichtig, das Zutrauen in die Muskulatur der Beine nimmt – zu Recht – schon etwas ab. Im Falzthurntal angekommen lockt das Ziel, die Beine melden „es reicht jetzt“ und werden mit dem letzten Gel beschwichtigt, und endlich ist es geschafft, der Zielbogen ist da. Mit meiner Zeit von 9 Stunden und 26 Minuten (Vicky und Mirjam waren ziemlich genau 3 Stunden schneller und wohl längst wieder zuhause) und der AK-Platzierung als 12. von 18 Frauen über 60 bin ich ganz zufrieden und plane schon die Anmeldung für das nächste Jahr bei diesem Berglauf-Klassiker.

Lore Mair